Konturen einer kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik: Praxis – Grundlagen – Forschung

Peter Cloos, Svenja Garbade, Ina Kaul und Katja Zehbe und NetKiD

In den letzten 20 Jahren hat sich eine vielfältige und dynamische Praxis kindheitspädagogischer Hochschuldidaktik etabliert, die wir bei der Jubiläumstagung 20 Jahre kindheitspädagogische Studiengänge  würdigend in den Blick genommen haben. Die Pionier*innen kindheitspädagogischer Studiengänge haben in einem politisch hoch aufgeladenen Kontext erhebliche Aufbauarbeit geleistet und aufgezeigt, wie eine kindheitspädagogische Qualifizierung akademisch gestaltet werden kann. Zugleich zeigt sich: Kindheitspädagogische Hochschuldidaktik ist bislang wenig übergeordnet beschrieben und reflektiert worden. Aus unserer Sicht besteht jedoch die Notwendigkeit, sich innerhalb des Gefüges der Professionen und Disziplinen auch hochschuldidaktisch zu platzieren und disziplin- und professionspolitisch die Frage nach dem Spezifikum einer kindheitspädagogischen Qualifizierung an Hochschulen zu beantworten.

Die Konturierung einer kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik ist ein zentraler Baustein der Disziplin- und Professionsentwicklung. Hierüber wird gegenüber anderen Disziplinen und Professionen reflexiv verdeutlicht, wie eine kindheitspädagogische Professionalisierung im Rahmen hochschulischer Lehre abgesichert werden kann.

Mit unserem Vortrag haben wir einen ersten Aufschlag gemacht, dieses Desiderat analytisch zu bearbeiten. Es geht uns übergreifend darum, die Grundlagen einer kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik zu beschreiben. Eine erste Annäherung folgt dabei den Fragen, was eine Hochschuldidaktik auszeichnet und inwiefern eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik im Kontext anderer (Hochschul-)Didaktiken zu verorten ist? Mit Blick auf die zweite Frage wurde von NetKiD ein Vorschlag entwickelt, wie eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik in der Landschaft bestehender (Hochschul-)Didaktiken verortet ist und welche Bezüge zu diesen bestehen.  Das Ergebnis wird in der nachfolgenden Grafik dargestellt (Abb.1).

Abb. 1: Einbettung und Bezugskontexte einer kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik

Ausgehend von einer Allgemeinen Hochschuldidaktik, die sich fachübergreifend versteht und zugleich fachimmanent in unterschiedlichen Disziplinen sedimentiert (Wildt 2013), speist sich auch eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik aus fachübergreifendem und fachimmanentem hochschuldidaktischem Wissen, das sich aufgrund der Dynamiken der Veränderung von Wissen immer auch weiterentwickelt und überdies sowohl auf eine berufliche und eine außerberufliche Praxis abzielt. Da eine kindheitspädagogische Qualifizierung eine jeweils fachgebundene Verknüpfung mit Berufsfeldern adressiert, sind hiermit spezifische didaktische Fragen verknüpft (blaue Pfeile), die wiederum in Verbindungen zu pädagogischen Didaktiken, aber auch mit didaktischen Aspekten der Praxis stehen. Eine fachgebundene Hochschuldidaktik in Bezug auf pädagogische Handlungsfelder ruft bspw. Bezüge zu kindheitspädagogischer, sozialpädagogischer Didaktik oder auch Unterrichtsdidaktik auf. Eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik steht daher immer in einem Verhältnis zu dem, was die Didaktik des jeweiligen Handlungsfeldes von Absolvierenden fordert. Um diese Denkfigur zu konkretisieren sei z.B. auf die Qualifizierung von Deutschlehrkräften hingewiesen: Hierbei geht es darum, wie didaktisch Deutschunterricht vollzogen wird, wie Deutsch fachdidaktisch unterrichtet werden kann und wie sich dies hochschuldidaktisch dann zukünftigen Deutschlehrenden vermittelt werden kann. Wie das Spiel von Kindern in der Kindertageseinrichtung angeregt werden kann, ist demnach eine didaktische Frage der Kindheitspädagogik, wie sich dies didaktisch in der Hochschullehre vermitteln lässt, ist ein hochschuldidaktisches Thema.

Mit Perspektive auf eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik ist sowohl das Wissen der unterrichtsbezogenen Hochschuldidaktiken der allgemeinbildenden Schulen bedeutsam als auch das einer Hochschuldidaktik der beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik, die auf die hochschuldidaktische Vermittlung des Lehrens an Fachschulen fokussiert. Ebenso relevant sind zudem auf außerschulische Handlungsfelder ausgerichtete erziehungswissenschaftliche Hochschuldidaktiken. Die erziehungswissenschaftlichen Hochschuldidaktiken lassen sich wiederum untergliedern entlang ihrer unterschiedlichen Subdisziplinen und Forschungsfelder, wie bspw. Erwachsenenbildung, Migrationspädagogik etc. Selbstverständlich sind auch kindheitspädagogische und sozialpädagogische Hochschuldidaktik relevant. Auf einer weiteren Ebene ist eine Fachdidaktik der Sozialpädagogik anzusiedeln, wie sie z.B. Anke Karber und Kolleg*innen (2019; 2025) in den letzten Jahren entwickelt haben und die sich mit dem Lehren und Lernen z.B. an Fachschulen für Sozialpädagogik befasst.

Eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik gewinnt ihre Kontur nicht dadurch, dass sie sich von anderen Hochschuldidaktiken und Didaktiken abgrenzt. Sie gewinnt ihre Kontur gerade daraus, dass sie ihr Wissen aus unterschiedlichen Hochschuldidaktiken und Didaktiken speist und dies reflexiv vollziehen kann. Das gilt umso mehr für das noch sehr junge Feld der kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik. Auch eigene Themen und Fragestellungen können reflexiv bearbeitet werden, wodurch sich die kindheitspädagogische Hochschuldidaktik ausdifferenziert und positioniert. Kindheitspädagogische Hochschuldidaktik kann sicherlich aus einer fachübergreifenden Hochschuldidaktik lernen, wie im Sinne von Wildt (2013) in der Lernsituation Studium, Methoden, Inhalte, Medien, Sozialformen etc. zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Indem sie jedoch spezifische kindheitspädagogische Themen- und Fragestellungen reflexiv bearbeitet, gewinnt sie eine eigenständige Kontur. Folglich ist abzuleiten, dass eine Konturierung durch empirische Forschung und Theoriebildung voranzutreiben wäre.

Sie könnte aber auch auf allgemeine Konzepte wie dem Forschenden Lernen zurückgreifen, wie dies in der Kindheitspädagogik breit erprobt ist und auch in Bezug auf den Forschenden Habitus von Iris Nentwig-Gesemann und anderen theoretisiert wurde (Nentwig-Gesemann 2022; Cloos/Lochner 2021). Das Fallarchiv kindheitspädagogische Forschung (FalKi) hat hier sicherlich Pionierarbeit geleistet.

Aus erziehungswissenschaftlichen Hochschuldidaktiken bezieht sie das Wissen zu schon erprobten Ansätzen wie z.B. Lernwerkstätten, Kasuistik, biografischem Lernen und Modelleinrichtungen ein. Kindheitspädagogisch wird die Hochschuldidaktik u.a. dadurch, dass sie z.B. in Werkstätten der Hochschulen (kindheitspädagogische) Materialien zum Thema macht, dass sie Arbeitsbroschüren entwickelt, die entlang spezifischer kindheitspädagogischer Fragestellungen kasuistisch bearbeitet oder indem sie das biografische Lernen in Bezug zu eigenen Bildungskonzeptionen für die Hochschullehre aufbereitet. Kindheitspädagogisch gewinnt sie Kontur, wenn sie plattformgestützt Seminarkonzepte entlang kindheitspädagogischer Fragestellungen zur Diskussion stellt. In verschiedenen Modell- und Laboreinrichtungen der Kindheitspädagogik wird das spezifische Wissen um Didaktik auch in die Hochschuldidaktik eingespeist.

Von der Hochschuldidaktik der beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik und der sozialpädagogischen Didaktik lernt sie die Bedeutung der doppelten Vermittlungspraxis (Karber/Göddertz 2025): Das Thema der frühkindlichen Bildung kann nicht vermittelt werden, ohne zu berücksichtigen, dass dies in einer bildungsbezogenen Lehrveranstaltung vollzogen werden soll. Über die angewandte Hochschuldidaktik wird ein Beispielvermittelt, wie Bildungsprozesse gestaltet werden können. Hochschuldidaktik muss sich aber die Frage stellen, ob diese doppelte Vermittlungspraxis in der Hochschule anders als in der Fachschule zu gestalten ist. Der doppelte Vermittlungsbezug nimmt ernst, dass Lehrende der Kindheitspädagogik Bildungssituationen für Studierende herstellen, die dann selbst in der Fachschule Bildung für Schüler*innen initiieren sollen.

Deswegen ist es relevant aus anderen Hochschul- und Fachdidaktiken zu lernen und diese als Bezugsdisziplinen ernst zu nehmen. Beispielsweise kann aus der Hochschul- und Fachdidaktik Deutsch erlernt werden, welche Bedeutung die Lesesozialisation von Studierenden auf die Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen im Studium im Bereich Didaktik der Sprachbildung haben kann. Um dieses Wissen nutzbar zu machen, muss sie es jedoch anders kontextualisieren, weil es hier um Sprachbildung in kindheitspädagogischen Settings und nicht um Deutschunterricht geht. Diese Beispiele ließen sich sicherlich erweitern, Sie sollten nur unsere These untermauern, dass eine kindheitspädagogische Hochschuldidaktik ihre Kontur nicht dadurch gewinnt, dass sie sich von anderen Hochschuldidaktiken und Didaktiken abgrenzt. Sie gewinnt ihre Kontur gerade daraus, dass sie ihr Wissen aus unterschiedlichen Hochschuldidaktiken und Didaktiken speist. Wie dies zu vollziehen ist, und was das im Einzelnen bedeutet, gilt es gemeinsam auf empirischer und theoretischer Basis zu bestimmen.

Literatur

Cloos, Peter/Lochner, Barbara (2021): Habitus und Forschendes Lernen im Studium der Kind-heitspädagogik. Überlegungen zu einer habitustheoretischen Didaktik. In: Lochner, Barba-ra/Kaul, Ina/Gramelt, Katja (Hrsg.): Didaktische Potenziale qualitativer Forschung in der kindheitspädagogischen Lehre. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 18-55.

Göddertz, Nina/Karber, Anke (2019): Berufliche Bildung Sozialpädagogik – Eine Spurensuche didaktischer Prinzipien. In: Soziale Passagen 11, H. 1, S. 65-80.

Karber, Anke/Göddertz, Nina (Hrsg.) (2025): Wege zu einer Didaktik der Sozialpädagogik. Perspektiven für die berufliche Bildung. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich.

Nentwig-Gesemann, Iris (2022): Forschendes Lernen als Impuls für Professionalisierungsprozesse. Erfahrungen aus einer Weiterbildung zur „Fachkraft für Kinderperspektiven“. In: Bohnsack, Ralf/Bonnet, Andreas/Hericks, Uwe (Hrsg.): Praxeologisch wissenssoziologische Professionsforschung. Perspektiven aus Früh- und Schulpädagogik, Fachdidaktik und Sozialer Arbeit. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt 2022, S. 389–409.

Wildt, Johannes (2013): Ein hochschuldidaktischer Blick auf Lehren und Lernen. Eine kurze Einführung in die Hochschuldidaktik. 2006 00(01). In: Berendt, Brigitte/Fleischmann, Andreas/Salmhofer, Gudrun/Schaper, Niclas/Szczyrba, Birgit/Wiemer, Matthias/Wildt, Johannes (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre. Lehren und Lernen effizient gestalten. Stuttgart: Raabe, S. 1–10.